Rollerpreis

Christian Roller, erster Direktor der Illenau 1842-1878 Geb. 11.1.1802 in Pforzheim 1831 „Die Irrenanstalt nach allen ihren Beziehungen“ 1835 Direktor der Heidelberger Irrenanstalt 1838 „Grundsätze für die Errichtung neuer Irrenanstalten“ 1842 Erster Direktor der Illenau 4.1.1878 Tod Rollers

Christian Roller Preis

Geschichtlicher Hintergrund

Christian Roller kam am 11. Januar 1802 in Pforzheim zu Welt. Sein Vater war von 1804 an als „Physikus“ am örtlichen „Zucht- und Waisenhaus“ tätig, einem Hort auch für Arme, Alte und Kranke sowie psychisch Kranke. Roller senior setzte sich seinerzeit für die Bewohner ein, um ihnen über ihre Verwahrung hinaus, Wege zur „Glückseligkeit“ im Spannungsfeld zwischen christlicher Mildtätigkeit und Zwang zur Arbeit zu weisen. Im Vermächtnis seines Vaters widmete sich Christian Roller in besonderem Maße den in der „Universalanstalt“ verwahrten psychisch Kranken.

Nach seinem Studium in Tübingen, Göttingen und Heidelberg ließ sich Christian Roller als praktischer Arzt in Pforzheim nieder. 1825 beauftragte die Badische Regierung den jungen Arzt, die wichtigsten europäischen Einrichtungen der Fürsorge für Geisteskranke in Augenschein zu nehmen. Nach seiner Rückkehr 1826 wurde er als Assistenzarzt an das neu eingerichtete „Irrenhaus“ in Heidelberg berufen. Von Beginn seiner Tätigkeit an setzte er sich für eine menschenwürdige Versorgung der Kranken ein. 1830 schloss Christian Roller das Manuskript seines Buches: „Die Irrenanstalt nach allen ihren Beziehungen“ ab. Ein von ihm formulierter Satz wurde dabei zum Programm seines weiteren Wirkens: „Warum wachen die Menschen nicht mit mehr Eifersucht darüber, dass auch im verirrten Bruder die Menschenrechte respektiert werden?“

Die großherzogliche Regierung stimmte dem „programmatischen Entwurf“ der späteren Illenau und der „umfassenden Neuordnung und Weiterentwicklung des staatlichen Irrenwesens“ zu; nicht zuletzt auch deswegen, weil im Badischen Hause einige Personen selbst an psychischen Erkrankungen litten. So wurde die erste und in allen Einheiten den therapeutischen Vorstellungen entsprechende Heil- und Pflegeanstalt in Deutschland nach Rollers Vorstellungen errichtet – eine stattliche Anlage, die fortan als „Schloss für Irre“ entweder bewundert oder geschmäht wurde. Sie galt als Meilenstein im Anstaltsbau und in der Entwicklung der deutschen Psychiatrie im 19. Jahrhundert.

Die Anstalt nahm 1842 ihren Betrieb auf und avancierte alsbald zu einem Anziehungspunkt deutscher und ausländischer Psychiater. Max Fischer schrieb 1921: „Rollers Schöpfung Illenau war eine einzig dastehende Großtat, nicht nur für die Heilwissenschaft im allgemeinen und für die Seelenkunde im besonderen, sondern weit darüber hinaus für die ganze Kulturwelt; sie war in ihrer Art eine kosmopolitische Neuerung ohne Vorbild“.

Wie weit reichend die reformatorischen Konzepte Rollers auch nach Schließung der Illenau durch die Nationalsozialisten im 20. Jahrhundert sind, zeigt sich in der Kritik und Würdigung des sogenannten „Illenauer Modells“ durch moderne Psychiatriehistoriker:

Einige Kritiker glauben, in der Isolation in ländlicher Umgebung (Psychopharmaka gab es seinerzeit nicht), stigmatisierende Ansätze zu erkennen, die später dem totalitären System der Nationalsozialisten dienlich gewesen wären. Ebenfalls zweifelhaften Zuspruch erhielt Roller durch die „sozialistische Patientenkollektive“ der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts. Sie begrüßte es, Patienten aus der postuliert krankmachenden Ursprungsfamilie zu entfernen und einer „Ersatzfamilie“ zuzuführen.

Diese Vorbehalte werden gegenstandslos, angesichts der zahlreichen Würdigungen, seiner geplanten und umgesetzten Reformationen. So stehen der Kritik an der Isolationspolitik die milieutherapeutischen Ansätze gegenüber in heilsamer, ländlicher Atmosphäre jenseits der Hektik von Ballungsräumen. Optimale Rahmenbedingungen für den viel beschworenen „Illenauer Geist“, der sich auch den so genannten „unheilbaren Kranken“ verpflichtete. Dem Zeitgeist entsprechend wurden die Insassen in ein religiös geprägtes, erzieherisch-disziplinierendes System eingegliedert, in dem Arbeit eine zentrale Funktion einnahm. Das gilt heute verschiedentlich als erster Ansatz für eine Arbeitstherapie. Roller schob die Kranken nicht in Pflegeanstalten ab, wie in anderen Ländern im Deutschen Reich üblich, sondern behielt sie weiter in seiner „relativ verbundenen Heil- und Pflegeanstalt“. In diesem Bemühen, dem einzigartigen „Badischen Modell“, lässt sich der integrierende Ansatz erkennen, was dem Bezug zu den Nationalsozialisten jegliche Grundlage entzieht.

Kritisch anzumerken wäre, dass Roller der Betreuung seiner Pfleglinge den Vorrang einräumte, vor der Forschung und vor allem vor der Lehre. Damit verschloss er sich dem Zustrom von Studenten. Ohne es vielleicht zu wollen, wurde Roller so zum Wegbereiter einer Entwicklung, die auf die Zweiteilung zwischen Anstalts- und Universitätspsychiatrie hinauslief, was bis heute noch fort- und einem gesamtpsychiatrischen Netzwerk eher entgegenwirkt. Allerdings hätte die Nachrangigkeit der Lehre in der universitär geforderten Form nicht zwangsläufig zur Dichotomisierung führen müssen, wie es uns das Modell „Weissenau“ belegt.


Literaturhinweise:

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